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Dynamic Pricing: Fluch oder Segen? Jetzt will sogar der Verbraucherschutz mitbestimmen!

Seit Monaten findet seitens vieler Medien und so manchem populistischen Politiker ein wahres Kesseltreiben gegen das so genannte Dynamic Pricing statt. Schwankende Preise, die im stationären Handel akzeptiert sind, werden im Online-Handel zum Teufelswerk erklärt. So geht es nicht!
von FrankZimmermann

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Du findest das total normal und denkst: "Was will der? War doch schon immer so!" Ja, da bin ich völlig bei dir. Allerdings sehen das einige Leute in Medien und Politik gänzlich anders, wenn es um Dynamic Pricing im E-Commerce geht. Da werden Preisbewegungen im Online-Handel plötzlich von selbst ernannten Verbraucherschützern als Abzocke und Teufelswerk deklariert. Da muss ich mich doch schon sehr wundern. Gib doch bitte einmal "Nachrichten Dynamic Pricing" in eine dir genehme Suchmaschine ein. Da findest du eine schier endlose Liste heuchlerischer Artikel, deren Tenor lautet: "Der Online-Handel zockt die Verbraucher mit perfiden Preistricks ab." Und so mancher Politiker haut erschreckend populistisch in die gleiche Kerbe. Diese Vorwürfe sind - sorry - so spannend und gehaltvoll wie eine Endlosschleife Deutschlands schönster Bahnstrecken.

Dynamic Pricing als Stein des Anstoßes

Der Vorwurf lautet im Kern, dass Verbraucher im Online-Handel über den Tisch gezogen werden, weil die Shopbetreiber ihre Preise dem Marktgeschehen anpassen. Wie bitte? Die tatsächlichen Begebenheiten im E-Commerce sprechen eine deutlich andere Sprache. Kein Markt ist preistransparenter als der Online-Handel. Preise können vom Kunden entweder in Eigenregie oder mit Hilfe von Preisvergleichsportalen in Sekundenschnelle überprüft werden - und zwar weltweit. Auf diese Weise entsteht ein Preisdruck auf die Online-Händler zugunsten der Verbraucher, den wir vor dem Siegeszug des E-Commerce gar nicht kannten. Wenn ein stationärer Filialist den gleichen Artikel auf der Düsseldorfer Königsallee 30 Prozent teurer angeboten hat als in Duisburg Marxloh, dann hat das niemand erfahren.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das war das gute Recht des betreffenden Filialisten. Stichwort Marktbegebenheiten: In Düsseldorf zahlt er eine deutlich höhere Ladenmiete und trifft auf eine zahlungskräftigere Klientel. Ein Artikel geht gut, also bleibt der Preis profitabel. Ein anderer Artikel liegt wie Blei in den Regalen, also geht der Kaufmann an die preisliche Schmerzgrenze. Dem entsprechend gestaltet der Händler seine Preise. Aber warum soll das, was im stationären Handel akzeptiert ist, im E-Commerce verwerflich sein?

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Die Heuchler haben ein trauriges Kundenbild

"In einer Welt von dynamischen Preisen wird der Kunde dazu gezwungen, sich wie ein Börsenmakler zu verhalten", sagt Miika Blinn, Experte für Digitales und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband. "Sowohl für den Verbraucher als auch die Marktwächter ist nicht ersichtlich, wie die Beträge zustande kommen." Es werde zunehmend schwieriger, Preise zu vergleichen. "Der Wert eines Produktes ist nicht mehr sicher", so Blinn.

Ja, was ist das denn für eine traurige Einschätzung der Fähigkeiten der Verbraucher? Es ist doch völlig klar, dass sich derjenige Käufer, der partout den absoluten Tiefstpreis für seinen Wunschartikel bezahlen möchte, in diversen Shops umschauen und informieren muss. Und - da können wir alle aus Erfahrung ganz sicher sein - die Onlineshopper können das und tun das auch. Das sind absolut mündige Konsumenten, die mit schwankenden Preisen nicht nur gut umgehen können, sondern diese auch zu ihrem eigenen Vorteil nutzen.

Gibt es eine Alternative zum Dynamic Pricing?

Angesichts der Anfeindungen gegen die an Angebot und Nachfrage angelehnte dynamische Preisgestaltung - wir nennen das nicht erst seit Ludwig Erhard Kernstück der sozialen Marktwirtschaft - stellt sich natürlich die Frage nach Alternativen. Ja, die gab es. Der Einheitsverkaufpreis (EVP) in sozialistischen Planwirtschaften ist allerdings krachend gescheitert. Bei dem Gedanken an dieses Modell läuft es mir ehrlich gesagt eiskalt über den Rücken. Das kann doch nicht ernsthaft die Alternative sein?

Der Wert einer Ware

Achtung, liebe Leser von netzaktiv.de, jetzt wird es beinahe philosophisch! Bei einem Kauf geht es letztendlich doch noch immer um die Kardinalfrage, ob dem Käufer der vom Verkäufer aufgerufene Preis für die in Rede stehende Ware angemessen erscheint. Ist dies der Fall, kommt es zum Geschäft. Ist dies nicht der Fall, dann eben nicht. Dabei sollte es von untergeordneter Bedeutung sein, ob die gleiche Ware in vier Wochen bei einem anderen Händler an einem anderen Ort vielleicht drei Prozent günstiger zu haben gewesen wäre.

Mein Fazit

Onlineshopper, deren Tiefstpreisparanoia mit einer solchen Erkenntnis ein schwerer und bleibender Schlag verliehen wird, sollten sich in den Konsumenten-Adelsstand erheben lassen und künftig die Raupe Nimmersatt im Wappen führen. Mir egal. Die Online-Händler tragen jedenfalls mit ihrer dynamischen Preisgestaltung keine Schuld an derartigen Traumata. Frei nach Giovanni Trappatoni: "Ho fatto! - Isch habe fertisch!"

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