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Richtlinie für Verbraucherrechte: Was Shops seit der Neuerung wirklich umsetzen

Erinnert ihr euch noch? Vor gut einem Jahr, am Freitag den 13. Juni 2014 wurde die Verbraucherrechte-Richtlinie (VRRL) in Deutschland umgesetzt. Online-Shops und Geschäftsprozesse mussten angepasst werden, und zwar am Tag des Inkrafttretens! Denn eine Übergansfrist gab es nicht. Auf die Nachzügler wartete bereits die Abmahnindustrie.
von KatrinTrautzold
Wie die betroffenen Unternehmer mit den Neuerungen umgegangen sind, haben wir via Protected Shops über eine kleine Umfrage mit 64 Teilnehmern ermittelt: Die VRRL hat vor allem Änderungen für das im Online-Handel besonders wichtige Widerrufsrecht gebracht, aber auch sonst den Verbraucherschutz gestärkt. Ziel war es darüber hinaus, den grenzüberschreitenden Handel innerhalb Europas zu fördern, indem die Regelungen für alle Mitgliedstaaten vereinheitlicht wurden.

Grenzüberschreitender Handel ja, aber auch ohneVerbraucherrechte-Richtlinie

Erreicht wurde dieses letztgenannte Ziel bisher wohl noch nicht. Denn nur knapp 11 Prozent haben die Neuerungen zum Anlass genommen, ihre Waren auch ins Ausland zu verkaufen. Der Großteil, nämlich mehr als zwei Drittel, tat dies bereits vor dem 13.06.2014. Die beliebtesten Länder sind dabei Österreich, Italien, die Benelux-Staaten, Frankreich und England. Händler sind größtenteils auf dem aktuellsten Stand – und das ohne großen Zusatzaufwand, denn fast alle der Befragten haben die neuen Vorgaben der VRRL bereits in ihren Shops umgesetzt. Zusätzlichen Aufwand haben seitdem nur wenige. Es mussten weder neue Mitarbeiter eingestellt werden noch hat sich der finanzielle oder organisatorische Aufwand erhöht. Lediglich die Webseite musste bei 61 Prozent technisch angepasst oder umprogrammiert werden. Grund dafür könnte etwa die Einbindung eines Online-Formulars sein, über das der Kunde seinen Widerruf erklären kann. Ein solches stellen immerhin drei Viertel der Befragten in ihrem Online-Shop zur Verfügung.

Verbraucher widerrufen am liebsten per Mail

Genutzt wird es von den Kunden eines Drittels der Händler. Am beliebtesten ist allerdings der Widerruf per E-Mail, gefolgt von dem neu eingeführten Muster-Widerrufsformular, das Shop-Betreiber seit dem Stichtag für ihre Kunden bereithalten müssen. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit des telefonischen Widerrufs, der immerhin bei 37 Prozent der befragten Händler vorkommt.

Trotz Abschaffung des „Rückgaberechts“: kommentarlose Rücksendungen werden akzeptiert

Was hingegen nach der Gesetzesänderung nicht mehr vorgesehen ist, ist die kommentarlose Rücksendung der Ware (ehemals „Rückgaberecht“, das bis zum 13. Juni 2014 anstelle des Widerrufsrecht gewährt werden konnte). Dennoch werden derartige Rücksendungen von Dreiviertel der Händler als Widerruf akzeptiert und bei 38 Prozent tatsächlich auch von den Kunden genutzt. Da dadurch dem Verbraucher ein zusätzlicher Weg eröffnet wird, seinen Widerruf zu erklären, dürfte diese Vorgehensweise auch rechtlich zulässig sein. Rechtssicherheit können diesbezüglich aber nur Gerichte schaffen.

Händler nutzen kurze Widerrufsfrist von 14 Tagen

Mit Umsetzung der VRRL wurde eine europaweit einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen eingeführt. Bereits gerichtlich bestätigt wurde, dass eine freiwillige Verlängerung der Widerrufsfrist, zum Beispiel auf 30 Tage oder einen Monat, aus Servicegesichtspunkten durchaus gewährt werden darf. Genutzt wird dies jedoch nur vereinzelt. Das in Deutschland vor der Rechtsänderung mögliche „unendliche Widerrufsrecht“ wurde mit der Gesetzesänderung abgeschafft. Die Maximale gesetzliche Widerruffrist beträgt nun 12 Monate und 14 Tage.

Kostenverteilung – Verbraucher zahlt die Rücksendung

Die Kosten der Warenrücksendung nach Widerruf werden gesetzlich dem Verbraucher auferlegt. Für den Handel bedeutet das eine finanzielle Erleichterung, auf die nur wenige Unternehmer (16 Prozent) freiwillig verzichten. Ähnlich sieht das bei der Kostenübernahme für die Rücksendung von „nicht paketversandfähigen Waren“, also Speditionsgütern aus. Nur 15 Prozent der Händler, die diese in ihrem Sortiment haben, übernehmen die Kosten der Retoure. Die Anzahl der Retouren hat sich übrigens beim Großteil der Shop-Betreiber (80 Prozent) seit der VRRL nicht verändert, ebenso wenig der Umsatz.

Abmahnindustrie gegen die neue Verbraucherrechte-Richtlinie ist seit dem 13.6.2014 aktiv

Die Umsetzung der VRRL dürfte bei Online-Händlern vor allem Angst vor Abmahnungen ausgelöst haben. Tatsächlich wurden die ersten Anwaltsschreiben bereits wenige Tage nach dem Stichtag versendet. Moniert wurde hauptsächlich die Verwendung einer veralteten Widerrufsbelehrung. Shops, die nicht an die Neuerungen angepasst waren, oder sogar noch immer nicht sind, können über eine entsprechende Websuche leicht gefunden werden. Eine Abmahnung erhalten haben von den Befragten dennoch nur überraschend wenige (gerade einmal sieben Prozent).

Gerichte werden die Richtung der neuen Regelungen bestimmen

Wie es mit der VRRL und der Umsetzung der Vorgaben in der Praxis weitergeht, werden Gerichte zu entscheiden haben. Bereits jetzt laufen entsprechende Musterverfahren von größeren Verbänden. Auch erste Urteile sind bereits gefällt. Über Neuigkeiten aus diesem Bereich informieren wir euch auch künftig an dieser Stelle.

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